Offensivspektakel mit Eröffnungstor nach fünf Sekunden

Was für ein total verrückter Spitzenkampf zwischen den beiden bislang ungeschlagenen Luzern und Illnau-Effretikon. Mit dem ersten Schuss nach nur fünf Sekunden(!) Spielzeit brachte Emanuel Guidon die Innerschweizer in Führung. Die Partie die für den EIE mit einem Schwimmfest in den ersten zehn Minuten begann, kämpften sich die Zürcher Oberländer mit überzeugender Kollektivleistung und einem überragende vierfachen Torschützen Michael Sommer zurück ins Spiel. Vom 0:2, zum 2:2, 3:2, 3:3, 4:3, 4:4, 6:4, 6:6 und 7:6 – verrückter kann sich ein Hockeyspiel nicht abwickeln. Luzern wurde in der 38. Minute ein klarer Treffer nicht gegeben – trotzdem erzielte Sekunden später Henrik Maurenbrecher doch noch den 5:6 Anschluss. EIE-Teambenjamin Lionel Kuhn reüssierte zum 7:6 Siegtreffer.

Bericht: Heinz Minder, Luzern

Die Ausgangslage war pikant. Beide Vereine standen nach vier Runden mit makelloser Bilanz und reiner Weste da. Luzern hegt einmal mehr Ambitionen auf einen Spitzenrang und hat seine Truppe auf diese Saison offensiv verstärkt. Doch die Innerschweizer haben Defensiv ein Problem. Zwar ging die Mannschaft von Röbi Küttel als jenes Team mit den bislang am meist erzielten Toren (32) und aktueller Tabellenführer in sein Heimspiel gegen Illnau-Effretikon, doch während drei Drittel gab es einige Fragezeichen um Torhüter Dario Caduff, der in einigen Szenen sehr unsicher und hypernervös wirkte.

Achtung – Fertig – Los - Tor

Doch kaum angespielt, stand EIE-Keeper Joel Stücheli im Brennpunkt. Viele der Zuschauer hatten in der Eishalle noch gar nicht Platz genommen und einige EIE-Spieler ihre Position gar noch nicht gefunden, als es bereits 1:0 für den Gastgeber stand. Emanuel Guidon traf nach lediglich fünf Sekunden – mit einer rekordverdächtigen Bestmarke – in die Maschen. Luzern schien Illnau-Effretikon, das verschiedentlich in der Vergangenheit immer Mühe in der Innerschweiz bekundete, förmlich aus der Halle fegen zu wollen. Schwimmfest pur im Eisstadion – in den ersten zehn Minuten musste man um den EIE bangen. Die Gäste kassierten zudem gleich einen frühen Ausschluss, womit sich ihre Startprobleme noch verschärften. Luzern offenbarte jene Powerplaystärke, «von der wir unsere Spieler noch warnten», so EIE-Assistenz-Trainer Urs Wegmann. Burkart markierte den ersten von insgesamt vier Powerplaytreffern – nach acht Minuten lag Illnau-Effretikon bereits 0:2 in Schieflage.

Luzern nicht über alle Zweifel erhaben

Doch weil die Luzerner einerseits generös mit ihren guten Möglichkeiten umgingen, andererseits der EIE sich nach zehn Minuten gefangen hatte und langsam seinen Rhythmus fand, pendelte sich das Geschehen auf dem Eis ein und offenbarte dem aufmerksamen Zuschauer, dass dieses Luzern selbst absolut nicht über alle Zweifel erhaben schien und Torhüter Dario Caduff, einmal unter Druck stehend, viele Unsicherheiten zeigte. Eine solche Szene führte zum wichtigsten Tor des Abends. Lionel Kuhn prüfte Caduff von der linken Seite aus. Luzerns Schlussmann liess die Scheibe abprallen und Lorenz Kuhn, von rechts kommend, bedankte sich für den Abpraller und verwandelte per Abstauber zum höchst wichtigen frühen und schnellen 1:2 Anschluss. Damit gelang Illnau-Effretikon in der achten Minute die absolute Schadensbegrenzung. Der EIE war dank den Brüder Kuhn zurück im Spitzenkampf und konnte sich Hoffnungen für den weiteren Spielverlauf machen.

Slapstick-Einlage der Luzerner

Und dieser hatte es in sich. Was nun im zweiten Drittel folgte, war Spektakel pur und begann, wie das Spiel nach nur fünf Sekunden lanciert wurde. Die erste Drittelspause schien der EIE zur ersten Manöverkritik genutzt zu haben. Das Mitteldrittel startete mit einer Slapstick-Einlage besonderer Güte, aus Luzerner-Sicht allerdings eher Tragik. Anspiel – der EIE taucht vor Caduff auf. Luzerns Verteidiger David Maurenbrecher verkeilt sich mit seinem rechten Fuss/Schlittschuh in jenem von Torhüter Dario Caduff. Beide Luzerner liegen vor dem Tor, strampeln wie wild und versuchen, sich voneinander lösen zu können, was nicht gelingt. Illnau-Effretikon ist weiterhin in Scheibenbesitz. Captain Thomas Korsch bedient Michael Sommer, welcher den noch immer am Boden liegenden Keeper Caduff um- und ausspielt und zum 2:2 Ausgleich einschiessen kann. Dies nur 20 Sekunden nach Wiederanspiel im Mitteldrittel. Nun ist der EIE wieder dran. Der Spitzenkampf kann neu beginnen.

Vom 0:2 Rückstand zur erstmaligen Führung

Was folgt ist ein Offensivspektakel besonderer Güte und Dramatik. Knapp vor Halbzeit muss Jaromir Gogolka auf die Strafbank. Den Tschechen haben die Luzerner auf diese Saison neu verpflichtet. Der 28jährige spielte bislang in der dritthöchsten tschechischen Liga – bei HC Frydek-Mistek (abgesehen von seinem Kurzabstecher für elf Spiele zu Novj Jicin). Bei Frydek Mistek absolvierte Gogolka insgesamt 147 Partien und erzielte dabei 37 Tore (und 28 Assists). Mit elf-Punkten auf dem Konto (6 Tore/5 Assist) figurierte der Tscheche momentan auf dem zweiten Platz der Skorerliste hinter Fäh. Im Powerplay geling dann Illnau-Effretikon die erstmalige Führung. Verteidiger Fabian Brockhage zieht an der Blauen Linie ab. Vor dem Tor lenkt Sommer den Schuss für Caduff unhaltbar ab. Vom 0:2 zum 3:2. Nun ist der Heimklub gefordert. Aber auch Luzern zeigt in diesem Mitteldrittel Powerplaystärke. Den Ausschluss von Brasser nutzen die Luzerner zum 3:3 Ausgleich (30.), dann legt das Trio Sommer (Fäh/Korsch) wieder eins vor und Luzern antwortet erneut im Überzahlspiel. Diesmal bei Strafe von Brockhage fällt der 4:4 Ausgleich. Dann ist die Reihe erneut an Sommer (Fäh/Korsch). Das EIE-Trio übernimmt damit in der aktuellen Skorerliste die ersten drei Ränge. Nach der 5:4 Führung schaffen die Zürcher Oberländer dank Yves Förderreuther, Assist Müller, der diesmal wieder als Stürmer aufgelaufen ist, weil Markus Cristelotti sich im letzten Heimspiel gegen Zug eine Hirnerschütterung zuzog, erstmals den Zweitore-Vorsprung (38.).

Unverzeihlicher Fehler der Schiedsrichter

Sekunden nach dem 6:4 des EIE eine Szene, die es so in einem Hockeystadion eigentlich nicht geben sollte. Luzern schiesst das 5:6. Alles sehen es. Nur die beiden Schiedsrichter nicht. Die Partie geht weiter, obwohl der Puck mitten im Tor bei Stücheli landete und zurück aufs Feld prallte. Die Zuschauer reklamieren, wie auch die Spieler. Verständlich. Zwei Unparteiische die einen so klaren Treffer nicht sehen. Unglaublich. Wie wollen Schiedsrichter dann noch Foulspiele sehen! Die Luzerner-Spieler sind in der 38. Minute frustriert, wütend und Henrik Maurenbrecher erzielt wutgebrannt doch noch den 5:6 Anschluss, «mit 150 Puls», wie Urs Wegmann nach Spielschluss meint. Was für ein Mitteldrittel mit acht Toren.

Dramatik steigert sich noch

Die Dramatik steigert sich im Schlussdrittel noch um eine Stufe. Natürlich. Strafe gegen den EIE. Diesmal muss Carlo Fäh raus (46.) – Luzern wieder mit Powerplay – und natürlich wieder mit einem Tor. Bracher markiert das 6:6. Das Spiel kann wieder von vorne beginnen und wird zum offenen Schlagabtausch. Beide Mannschaften suchen weiter ihr Glück in der Offensive – und Luzerns Keeper Caduff seinen Stock, den er irgendwo in einem Infight verloren hat. Caduff übersteht weitere Schrecksekunden schadlos, bis dann abermals Lionel Kuhn zuschlägt und Illnau-Effretikon kurz vor Schluss nochmals in Führung bringt (58:39). Doch es ist noch nicht zu Ende. Die Dramatik wird sich noch steigern. 58:47. Strafe gegen den EIE. Yves Brasser muss raus. Luzern nimmt sein Time-Out und Coach Robi Küttel nimmt Caduff vom Eis. Mit zwei Mann mehr wird das gefährliche und bislang viermal erfolgreiche Powerplay aufgezogen. Doch scheinbar ist nun einfach ein Luzerner zu viel auf dem Eis, denn der EIE kann sich aus dem Würgegriff befreien. Stücheli der zuvor zweimal mirakulös gegen Gogolka wehrte, übersteht den gegnerischen Schluss-Spurt. Luzern kassiert die erste Saisonniederlage. Was für ein Match aus EIE-Sicht.

1:2 Anschluss hatte Signalwirkung

«Eine gute, ja starke Teamleistung», lobt Urs Wegmann, stellvertretend für Headcoach Dieter Wieser, dem die Mannschaft noch ein verspätetes Geburtstagsgeschenk machte. «Unsere Spieler haben gekämpft. Vom Anfang bis zum Schluss und haben nie aufgegeben». Wegmann gesteht, dass der EIE «Hoch und Tiefs zeigte und auch Fehler machte». Einen solchen Start «darf man sich eigentlich nicht leisten und das darf uns nicht passieren». Aus Wegmanns Sicht «mag es vielleicht eine gewisse Nervosität» gewesen sein, doch «waren wir von Anfang an präsent». Wegmann legt den Fünf-Sekunden-Schocker als «dumm gelaufen» in die Ablage. Und der EIE-Assistenz-Trainer bestätigt, dass «wir nur mich ‘chrampfen’ in das Spiel gekommen sind. Der schnelle 1:2 Anschluss habe «Signalwirkung gehabt. Von da an wussten wir alle, dass heute etwas für uns zu holen ist. Die Spieler haben sich gegenseitig angespornt und aufgestachelt. «Verbunden mit dem 1:2 ist ein wichtiger Ruck durch unsere Mannschaft gegangen und jeder hat sich voll und ganz für die Mannschaft eingesetzt».

 

Luzern – Illnau-Effretikon 6:7 (2:1, 3:5, 1:1).- Regionales Eiszentrum (Luzern).- SR: Aris Scheggia/Marco Guidi.- 160 Zuschauer.- Tore: 00:05(!) Emanuel Guidon (Vassanelli) 1:0. 8. Burkart (Gianmarco Guidon, Ausschluss Nicola Gretler) 2:0. 10. Lorenz Kuhn (Lionel Kuhn) 2:1. 20:10 Sommer (Korsch/Fäh) 2:2. 28. Sommer (Brockhage, Ausschluss Gogolka) 2:3. 30. Bracher (Burkart/Gianmarco Guidon, Ausschluss Brasser) 3:3. 35. Sommer (Fäh/Korsch) 3:4. 36. Hodel (Vassanelli/Spinner, Ausschluss Brockhage) 4:4. 37. Sommer (Fäh/Korsch) 4:5. 38. Förderreuther (Müller) 4:6. 40. Henrik Maurenbrecher (Gogolka) 5:6. 47. Bracher (Emanuel Guidon, Ausschluss Fäh) 6:6. 57. Lionel Kuhn (Fäh/Korsch) 6:7.- Luzern: Caduff (Keller); Vasanelli, David Maurenbrecher; Mathias Hodel, Kuster; Santer, Julian Hodel; Emanuel Guidon, Burkart, Gianmarco Guidon; Gogolka, Spinner, Hendrik Maurenbrecher; Frei, Salzmann, Gayer; Ruckstuhl, Bacher, Zumbach; Wey, Frei.- Illnau-Effretikon: Stücheli (Stillhard); Giacomelli, Brockhage; Brasser, Mirco Weinhart; Nicola Gretler, Christoph Weinhart; Begert; Sommer, Korsch, Fäh; Müller, Förderreuther, Beltrame; Lorenz Kuhn, Hofer, Lionel Kuhn.- Strafen: Luzern 5-Mal 2 Minuten; Illnau-Effretikon 7-Mal 2 Minuten.- Bemerkungen: Illnau-Effretikon ohne: Andersen, Cristelotti, Gabriel Gretler und Vögeli (alle verletzt), Frei (Militär), Volkart (Torhüter-Trainerkurs), Wieser (krank).- 38. Tor des HC Luzern nicht gesehen durch die beiden Schiedsrichter.- 58:47 Time-Out Luzern, ab diesem Zeitpunkt ohne Torhüter Caduff und mit zwei Feldspieler mehr, da EIE-Strafe (Brasser).- Luzern erzielt in dieser Partie vier Powerplaytreffer.-

 

 

 

 

 

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