EIE - Wie Phönix aus der Asche

Autsch! Das schmerzt. Luzern schien samstags im Eselriet auf sicherem Siegeskurs. 4:1 führten die Innerschweizer gegen den bislang in der laufenden Meisterschaft über die reguläre Spielzeit ungeschlagenen EHC Illnau-Effretikon (EIE). Knapp vor Anbruch der letzten zehn Minuten schafften die Zürcher Oberländer das 2:4. Dann brachen alle Dämme und die Mannschaft von Dieter Wieser war nicht mehr zu stoppen. Am Schluss gewann der EIE noch mit 6:4 (1:3, 0:1, 5:0) und setzte vor dem kommenden Zürcher Oberland-Derby vom nächsten Samstag bei Dürnten mit dem 40. Meisterschaftspunkt in Folge(!) einen historischen Vereinsrekord.

Bericht: Heinz Minder, Illnau

Zur Erinnerung: am 21. Oktober vergangenen Jahres geriet Illnau-Effretikon im Vorrundenspiel in Luzern nach fünf Sekunden(!!) Spielzeit 0:1 ins Hintertreffen. Später 0:2, dann 1:2, 2:2 und führte nach 28 Minuten erstmals 3:2. Dann ging es Schlag auf Schlag. 3:3. 3:4, 4:4, 5:4 und 6:4 für den EIE, gefolgt vom 6:5 und 6:6 – ehe Lionel Kuhn 81 Sekunden vor Schluss den 7:6 Siegtreffer für die Zürcher erzielte. Die Luzerner konnten damals den Spielausgang und die Heimniederlage kaum fassen.

Start gut – es fehlen die EIE-Tore – Luzern führt 3:1

Und nun samstags dies. 0:1, 1:1, dann vor zwei Sekunden vor Ende Startdrittel gar das 3:1 für Luzern, welches die Innerschweizer anfangs Mitteldrittel zum 4:1 ausbauten. Erst zehn Minuten vor Schluss kam der EIE so richtig in Fahrt und erzielte nicht weniger als fünf Tore. Am Ende verlor Luzern erneut nachdem die Gäste über weite Strecken in Effretikon wie der sichere Sieger aussahen. Doch wie Phönix aus der Asche drehte der Tabellenführer den Spies am Ende noch um. Die heimischen Zuschauer waren natürlich begeistert und total aus dem Häuschen. So was Verrücktes hatten sie schon lange nicht mehr gesehen. Nun reist Illnau-Effretikon als stolzer Tabellenführer nach Bäretswil – wo es samstags wohl zu einem äusserst pikanten Oberlandderby kommen wird. EIE-Headcoach Dieter Wieser strahlte über das volle Gesicht. «Eigentlich haben wir am Schluss verdient gewonnen, denn Luzern hat nach vierzig Minuten aufgehört Hockey zu spielen. Ich habe wirklich Freude an meiner Mannschaft» - und Wieser meinte noch, «Stolz bin ich schon die ganze Saison mit dem, was meine Truppe zeigt».

Luzerns Mühe mit Favoritenrolle und Angst vor dem Sieg

Luzern ist einmal mehr das Opfer seiner eigenen Schwäche geworden, denn die Innerschweizer können nicht mit einer Favoritenrolle umgehen. Das bewies die Mannschaft von Robi Küttel beispielsweise bei der 4:6 Auswärtsniederlage in Zug, oder beim mit 1:2 verlorenen Auswärtstreffen in Chiasso. Zuletzt schien Luzern aber wieder etwas gefestigt und vermochte seine drei letzten Partien allesamt erfolgreich zu gewinnen. Kam hinzu, dass Luzern natürlich ob des Negativ-Ausganges der Vorrundenpartie gegen den EIE doppelt motiviert war. So reiste Luzern mit dem klaren Willen nach Effretikon, im Rückrundenspiel nun die noch offene Rechnung mit dem EIE begleichen zu wollen. Kam hinzu, dass die Luzerner gute Erinnerungen an ihr letztes Spiel im Eselriet hatten. Am 10. Dezember 2016 fügte Luzern nämlich Illnau-Effretikon in dessen Halle mit 6:2 (0:0, 3:0, 3:2) eine schmerzliche Niederlage bei.

Luzern intensiv analysiert

Dieter Wieser verriet, dass er und sein Assistent Urs Wegmann «uns den heutigen Gegner intensiv unter die Lupe nahmen». So entging den EIE-Teamverantwortlichen nicht, dass «Luzern die besten Specials hat. Wir wussten, was uns im Powerplay erwartet, denn Luzern hatte in der Box eine Quote von 93 Prozent». Will heissen: Wieser wusste, dass «Luzern bislang erst sechs Powerplaytore kassierte». So habe er in den letzten Tagen vor dem kapitalen Heimspiel «intensiv analysiert wie wir da vorgehen können».

EIE anfangs mit schwachem Powerplay…

Dass Illnau-Effretikon aber anfangs grosse Mühe im Überzahlspiel zeigte, hatte seine Gründe darin, dass «Luzern in der Box ein aggressives Forechecking zeigte». Die Partie hätte für die Platzherren eigentlich einen standesgemässen Auftakt nehmen können, denn Illnau-Effretikon begann druckvoll und kam gleich zu einem Dutzend guter Möglichkeiten. Dieter Wieser: «Wir wussten eigentlich gar nicht, was wir von Luzern zu erwarten hatten und ich hatte das Gefühl, dass wir zehn starke erste Minuten hinlegten». Diese Einschätzung täuschte nicht, hingegen war für einmal die EIE-Effizienz vor dem gegnerischen Tor – schwach. Kamen dann im Startdrittel noch drei folgenschwere Fehler hinzu. «Das 0:1 war ein Stellungsfehler von uns, dann vertendelte unsere Abwehr die Scheibe was zum zweiten Gegentreffer führte» und dann geschah jene Szene, «die uns so nie und nimmer passieren darf, denn ganze zwei Sekunden vor Drittelsende darf man keinen (dritten) Gegentreffer mehr kassieren».

…muss erst Yves Brasser (20.) – dann Carlo Fäh (40.) ersetzen

Das 0:1 in der siebten Minute durch Gianmarco Guidon vermochte Claudio Beltrame im zweiten Anlauf und Vorarbeit von Yves Förderreuther noch schnell zu egalisieren. Doch dann lag der EIE eben angesprochenes 1:3 in Rückstand und wirkte beim Gang in die erste Drittelspause etwas ratlos und verunsichert. Kapitale Möglichkeiten wurden nicht genutzt, dafür kontere Luzern an diesem Abend eiskalt. EIE-Verteidiger Yves Brasser schied nach dem ersten Durchgang aus. Knieverletzung. Dieter Wieser nach dem Spiel. «Wir müssen die zweite Verteidigung neu bilden. Einerseits durch Brassers-Verletzung, andererseits wird uns dieser Spieler eh wegen Militärdienst in den kommenden Wochen fehlen».

…dafür gibt Marco Vögeli starkes Comeback

Höchst erfreulich am ersten Drittel war hingegen die Tatsache, dass mit Marco Vögeli ein EIE-Spieler zu seinem Ersteinsatz in dieser Meisterschaft kam. Der schnelle EIE-Stürmer zog sich im vergangenen September im Testspiel in Bäretswil gegen Zug eine Knieverletzung zu und musste seither als Langzeitverletzter pausieren. Vögelis Einstand war beeindruckend, auch wenn Wieder am Schluss meinte, «er hat meiner Ansicht nach bei seinem Comeback fast zwangsbedingt etwas zu viel Eiszeit erhalten», denn der EIE-Trainer will Vögeli nach seiner langen Auszeit «bewusst nicht überfordern».

Im Mitteldrittel schaffte Illnau-Effretikon den wichtigen zweiten Treffer nicht. Im Gegenteil. Luzern nutzte den Ausschluss von Marc Andersen anfangs zweitem Druchgang (23.) um mittels Powerplaytreffer, abermals durch Gianmarco Guidon, das 4:1 zu erzielen. Apropos Überzahlspiel. Das klappte im zweiten Abschnitt bei den Platzherren immer noch nicht (wunschgemäss) und Illnau-Effretikon konnte von gegnerischen Ausschlüssen nicht profitieren. Nach dem zweite Drittel musste dann Carlo Fäh nach einem Sturz auf den Ellbogen mit offener Wunde ausgeben. Womit Dieter Wieser seine Paradelinie Sommer/Korsch/Fäh umstellen musste. Lionel Kuhn rückte in diesen Sturm vor und überzeugte mit starker Leistung. Somit kam nun auch Markus Cristelotti nach seiner Hirnerschütterung im Vorrundenspiel (auch gegen Zug) vermehrt zum Einsatz. Dem EIE glückte aber kein weiteres Tor – somit rannte Illnau-Effretikon seinem wichtigen zweiten Treffer weiter erfolglos nach. Illnau-Effretikon brauchte in seinem Heimspiel nicht nur drei Tore (zum 4:4) sondern schon mehr ein Hockeywunder.

Luzern wähnt sich zu früh am Ziel…

Luzern schien hoch motiviert. Der Dreitore-Vorsprung wähnte die Gäste schon wesentlich näher am Ziel der geglückten Revanche, als im Vorrundenspiel, als es tormässig sehr knapp und ausgeglichen zu und her ging. Die Ansätze beim EIE stimmten, doch am Ende der vielen guten Aktionen fehlte der erfolgreiche Abschluss. Die Leichtigkeit, mit der Illnau-Effretikon im bisherigen Meisterschaftsverlauf zu seinen 71 Toren gekommen ist, sie fehlte samstags gegen Luzern. Vieles schien in diesem Heimspiel gegen den EIE zu laufen. Der Heimklub kassierte Ende Mitteldrittel einen Ausschluss für Keeper Dennis Volkart. So musste der EIE das Schlussdrittel wieder mit einem Mann weniger in Angriff nehmen, was natürlich absolut nicht förderlich für die geplante Aufholjagd war. Und die Zeit lief nun unerbittlich gegen den noch aktuellen Tabellenführer. Die erste Saisonniederlage über die offizielle Spielzeit würde gleichbedeutend sein mit dem Verlust der Leaderstellung.

…und EIE steckt nicht auf

Die EIE-Spieler kämpfen zwar weiterhin vorbildlich, aber glücklos und betrieben einen Riesenaufwand für ihr bislang erstes und einziges Tor. Dann verhinderte Dennis Volkart mit viel Einsatz und halbem Spagat einen weiteren Gegentreffer, derweil die Luzerner schon mal vorsorglich Torjubel anmeldeten. Dann die erste Schlüsselszene. Luzerns «Ausländer» Jaromir Gogolka verübte an Verteidiger Thomas Hofer ein klassisches Beinstellen. Dieter Wieser nahm sein Time-Out und Sekunden später verkürzte Michael Sommer (Vorarbeit Thomas Korsch/Fabian Brockhage) endlich zum langersehnten und höchst wichtigen 2:4 (49.). Somit verblieben Illnau-Effretikon noch zehn Minuten zur möglichen erfolgreichen Aufholjagd. Und das 2:4 hatte Signalwirkung und war ein mächtiger EIE-Weckruf. Nun wurden die letzten Kräfte mobilisiert. Dieter Wieser meinte nach Spielschluss: «Es schien mir, als ob meine Mannschaft die grösseren Kräftereserven und mehr ‘PS’ in den Beinen hatte als unser Gegner.

2:4 wirkt befreiend

Was nun folgte, ergötzte das heimische Publikum, das von seinen Lieblingen lange auf die Folter gespannt wurde. Nun erwachte die Halle. 2:4 – zehn Minuten – da geht noch was. Und was! Luzern wirkte nun verunsichert und schien Angst vor dem Sieg zu haben. «Luzern hat nach vierzig Minuten mit dem Hockeyspielen aufgehört», so die Meinung von Dieter Wieser. Anders seine Truppe. Die kam nun in Spielrausch. Luzern kassierte Strafen. «Wir wurden anfangs durch die Schiedsrichter etwas benachteiligt. Das schien das Duo dann im Schlussdrittel egalisieren zu wollen». Marco Vögeli stürmte temposchnell über den linken Flügel ins gegnerische Drittel. Dort reüssierte Captain Thomas Korsch (Gabriel Gretler/Sommer) zum 3:4 Anschluss. Noch knappe sieben Minuten. Nun war bei Luzern das Nervenflattern sichtbar. Ausschluss Nicolas Way – EIE-Powerplay und Ausgleich. 4:4 – noch knappe sechs Minuten. Luzern nun schon wie ein Boxer in den Seilen – schon frustriert über die zwei schnellen Gegentore – da gingen einige Stöcke an der Bande zu Bruch. Luzern nahm nun sein Time-Out.

EIE-Überzahl funktioniert plötzlich

Dann wieder Ausschluss für Thomas Bracher, der Markus Cristelotti legte. «Für mich typisch für unsere Mannschaft. Da hat Cristelotti nicht vorzeitig aufgegeben und mit unermüdlichem Einsatz gekämpft, so dass Bracher sich nur noch eines Foulspieles bedienten konnte». Für Wieser «war das die spielentscheidende Szene». Das EIE-Powerplay das lange nicht zu funktionieren schien, war nun urplötzlich brandgefährlich. Lionel Kuhn, nun anstelle des verletzt ausgeschiedenen Fäh in die erste Linie vorgerückt, schleppte die Scheibe ins gegnerische Drittel, wo der EIE die Überzahlformation aufstellte und mit dem zehnten Saisontreffer von Thomas Korsch zur erstmaligen 5:4 Führung erfolgreich abschloss – noch knappe vier Minuten waren zu spielen.

Luzerns Nerven liegen blank

Bei Luzern lagen die Nerven nun blank. Erst musste Vassanelli raus, dann kassierten die Gäste in der wichtigen Schlussphase – eineinhalb Minuten vor der Schluss-Sirene noch einen Doppelausschluss von Burkart und Salzmann. Beim EIE musste Lionel Kuhn auf die Bank und Luzern nahm knapp eine Minute vor Schluss den Torhüter vom Eis. Das nutzte Illnau-Effretikon. Auf Vorlage von Marco Vögeli markierte Yves Förderreuther mit seinem 16. Treffer – ins leere Tor – den 6:4 Endstand. Der EIE jubelte – vom 1:4 zum 6:4 – die Luzerner verstanden die Hockeywelt nicht mehr. Das kleine Hockeywunder war passiert.

Starke EIE-Willensleistung

«Wir haben heute wohl verdient gewonnen», freute sich Dieter Wieser. «Am Anfang lief vieles für Luzern. Mit einer starken Willensleistung, viel Biss und Kampfeinsatz haben wir aber Siegeswillen gezeigt». Das sei eben seine Mannschaft, das sei der EIE: «Wir geben aus Prinzip nie vorzeitig auf. Erst wenn die Schluss-Sirene ertönt, schauen wir auf die Matchuhr, ob dort ein für uns positives Resultat steht, so wie heute». Wieser war mächtig stolz, dass «wir am Schluss noch fünf Tore erzielten und am Ende doch noch vier Powerplaytreffern gegen die bislang so starken Luzerner auftrumpfen konnten».

 

Illnau-Effretikon – Luzern 6:4 (1:3, 0:1, 5:0).- Eishalle Eselriet (Effretikon).- 217 Zuschauer.- SR: Maximilian Traub/Marco Zambonin.- Tore:7. Gianmarco Guidon (Burkart) 0:1. 10:52 Beltrame (Förderreuther) 1:1. 11:05 Burkart (Emanuel Guidon/Knüsel) 1:2. 19:58 Burkart (Emanuel Guidon/Gianmarco Guidon) 1:3. 23. Gianmarco Guidon (Emanuel Guidon/Burkart, Ausschluss Andersen) 1:4. 49. Sommer (Korsch/Brockhage, Ausschluss Gogolka) 2:4. 53. Korsch (Gabriel Gretler/Sommer) 3:4. 55. Sommer (Lionel Kuhn/Korsch, Ausschluss Wey) 4:4. 57. Korsch (Sommer/Lionel Kuhn, Ausschluss Bracher) 5:4. 59:58 Förderreuther (Vögeli, ins leere Tor, Ausschluss Lionel Kuhn und Doppelausschluss Burkart/Salzmann) 6:4.- Illnau-Effretikon: Volkart (Stücheli); Gabriel Gretler, Brockhage; Giacomelli, Brasser; Wimber, Thomas Hofer; Müller, Mirko Weinhart; Sommer, Korsch, Fäh; Beltrame, Förderreuther, Andersen; Lionel Kuhn, Peter Hofer, Lorenz Kuhn; Vögeli; Christoph Weinhart, Cristelotti.- Luzern: Keller  (Pleisch); David Maurenbrecher, Vassanelli; Hodel, Knüsel; Salzmann, Kuster; Emanuel Guidon, Burkart, Gianmarco Guidon; Gogolka, Spinner, Henrik Maurenbrecher; Wey, Bracher, Zumbach; Kobza, Santer, Frei.- Strafen: Illnau-Effretikon 9-Mal 2 Minuten; Luzern 14-Mal 2 Minuten.- Bemerkungen: Illnau-Effretikon ohne Nicola Gretler (Kieferbruch im Heimspiel gegen Bellinzona; Vögeli mit Meisterschaftscomeback/Ersteinsatz nach Dauerverletzung seit September 2017 im Testspiel gegen Zug; Justin Wieser (ab sofort Weltreise); beim EIE fallen aus: Verteidiger Yves Brasser (Knieverletzung, nach erstem Drittel), Stürmer Carlo Fäh (Ellbogenverletzung, nach zweitem Drittel).- 47:25 Time-Out Illnau-Effretikon (bei Ausschluss Jaromir Gogolka, gleich anschliessend fällt das 2:4).-54:04 Time-Out Luzern (bei 4:4 Ausgleich); 59:05 Luzern bei eigenem Doppelausschluss Burkart/Salzmann ohne Torhüter Keller, kassier das 4:6 ins leere Tor; ab 59:48 Luzern wieder mit Torhüter Keller.- 40. Meisterschaftspunkt des EHC Illnau-Effretikon in Folge! (Historischer Vereinsrekord) 

 

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